Donnerstag, 14. März 2024

LANGE WAR ES STILL HIER...

Die Projekte habe ich zwar immer aktualisiert, aber um zu schreiben, fehlte mir oft einfach die Ruhe. Denn es ist viel geschehen: seit zwei Wochen bin ich nicht mehr in der Musik- und Kunstschule, Velbert. 

Ich habe meine erste Kurse am Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater aufgenommen. Ich arbeite im Umweltbildungszentrum Heiligenhaus in einem wunderbaren Experiment für Mädchen, die durch die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ganz still geworden sind.

Ich habe meine Arbeit im Bereich Inklusion ausweiten können. 

Dazwischen wie schon lange: Projekte, Projekte, Projekte... mit Menschen. Ob künstlerisch professionell oder leidenschaftlich amateurich (das eigentliche Wort wird mir zu oft als Verunglimpfung benutzt)... ich bin dabei... 

und ganz aktuell bin ich dabei zu überlegen, was ich mit Kultur sonst noch erreichen kann. Ich möchte die Kunst nicht benutzen. Kunst ist und bleibt zweckfrei, aber sinnvoll. Und diesen Sinn kann ich noch viel weiter denken. 

Menschen in Verbindung bringen... mit sich, mit anderen, mit unserer Natur... 

Das ist natürlich ein bisschen seltsam. Denn wir sind das ja alles schon automatisch. Und doch haben wir uns ein bisschen verloren. Teilweise hier in den Untiefen des Internets, die in den sozialen Medien geradezu zu Abgründen geworden sind. Teilweise auch im realen Leben. Menschen werden übersehen und wenn sie gesehen werden, geht oft das große Bewerten los. Und beim Blick in den Spiegel sowieso... Und unsere Natur? Die ist ja nun eine ganz andere... Oder? Ich finde es bezeichnend in unserer Sprache, dass wir, wenn wir sagen "Das ist unsere Natur" nicht die Natur "draußen" meinen, sondern unser Wesen als Mensch. Wenn wir die Natur meinen, sagen wir oft: "ich gehe in die Natur". Als ob die Natur etwas anderes wäre. Etwas, das von uns abgekoppelt ist. Ist sie aber nicht. Nicht nur wetterfühlige Menschen können das sicher bestätigen. 

Also, wie kommen wir wieder in Kontakt? 

Ich arbeite dran. Still und leise... und manchen Stellen vielleicht auch mal lauter... aber immer weiter...

Montag, 11. Januar 2021

 WAS GING! WAS WIRD GEHEN!

Lange, lange bin ich nicht mit meinen Gedanken nach außen gegangen! Dieser Satz passt für den Blog, aber ebenso sehr auch für das wirkliche Leben, das einem ja immer noch unwirklich erscheint im lange Schatten der Pandemie. Normalerweise teile ich hier wenigstens einen Jahresrückblick mit tollen Fotos von tollen Projekten. Und so versuche ich jetzt, ein Stück Normalität.

"Engels vs. Primark" Foto: Ralf Silberkuhl
2020 gab es zwar viel Tolles, aber wenig Bildmaterial, weil vieles im Kleinen stattfinden musste und vieles virtuell war. Und ich möchte nicht einen Screenshot von Online-Proben teilen. Aber wenn ich genau hinschaue, hat es eine Menge Schönes, Berrührendes, Spannendes gegeben.

Wir hatten unsere Fassung vom "Gespenst von Canterville" gerade fertig, als der Lockdown kam und konnten immerhin eine offene Probe gestalten, in der Familien sehen konnten, was das Ensemble MiniArt geschafft hatte. 

Im Engels-Jahr konnten wir unser Stück "vom billigen Stoff - Engels vs. Primark" vor echten Menschen zeigen, wenn auch unter erschwerten Bedingungen mit Masken und Visieren und einer Theaterpädagogin, die einspringen musste, weil jemand als Kontaktperson in Quarantäne musste. Meine Rückkehr auf die Bühne hatte ich mir etwas anders vorgestellt. 

"Engels vs. Primark" Foto: Ralf Silberkuhl
Aber es ist ein großartiges und bewegendes Stück geworden, das das junge börsenensemble mit mir und der fabelhaften Sabine Kreiter (Bühne/Kostüme) da entwickelt hat. 

Hier finden Sie eine Rezension einer Zuschauerin 

 

 

 

"Magical Myterie Tour" Foto: Almuth-Schildmann-Brack
Im Sommer durften wir mit Drama Hilinci die Heiligenhauser*innen überraschen mit der "Magical Mysterie Tour". Auf Wendehammern und dem Kirchplatz zeigten wir eine OpenAir-Performance inspiriert von unserem Stück "Haus der Erinnerungen" (Premiere irgendwann 2021, wenn Covid es zulässt) und dem Stadtfest, das die Heiligenhauser*innen schmerzlich vermissten in diesem Jahr. Es war ein wunderbares Erlebnis, auf diese Weise wieder in Kontakt und Resonanz zu kommen, obwohl das Publikum in sicherer Enternung auf Balkonen und an Küchenfenstern saß. Auch unser Beitrag zum virtuellen Adventskalender des Clubs für Freizeit und Kultur Heiligenhaus hat viel Freude bereitet. 

"Magical Mysterie Tour" Foto: Almuth-Schildmann-Brack
 

 

 

Ein ganz persönliches Highlight war die  Premiere eigener Prosatexte im Rahmen der Ausstellung "Stillleben" des VHS-Fotoclubs Velbert/Heiligenhaus. 

Meine wunderbare Kollegin Svenja Johannsen und ich hatten uns dem Thema auf besondere Weise genähert und mit "Die Stille am Rande eines jeden Weges" ein Kleinod geschaffen, das allen viel Freude und ganz neue Perspektiven verschaffte. 

Bereits fertig gestellt ist unser Hörspiel "2025-Schönes Wetter - schöne Scheiße" des Ensemble SpielArt der Musik- und Kunstschule, Velbert. Jetzt kommt noch der Feinschliff und dann wird es 2021 veröffentlicht. 

Alles andere steht in den Sternen... aber was immer geht: kreative Verbindungen, Worte die echte Brücken schlagen, Gedanken, die auf die Sprünge helfen, das Gefühl, nicht alleine zu sein in dieser seltsamen Welt... wir bleiben dran. Irgendwas geht immer. Versprochen.

"Die Stille am Rande eines jeden Weges" Foto: Ingrid Johannsen






 

 

Freitag, 4. Oktober 2019

ANGST UND BANGE! JUHU!

Foto: Walburga Lambrecht
So habe ich mein neues Projekt für den Kulturrucksack in Heiligenhaus genannt. 
Wissen Sie noch, wie es war, sich in furchtsame Situationen zu begeben? Unbewacht von Erwachsenen, die sich immer sofort die schrecklichsten Folgen ausmalen? 
Ich weiß noch sehr genau, wie überdimensional groß ich mich als 10jährige fühlte, als ich gemeinsam mit meinen Freunden auf das Dach unserer Turnhalle geklettert bin. Der Weg dahin war wirklich zum Fürchten. Aber oben... unbezahlbar. Ich bekam natürlich einen riesengroßen Ärger zu Hause. Aber es war ein unvergessliches Erlebnis, das mich hat wachsen lassen. 
Da Theater der Ort ist, an dem man wachsen kann, ohne in wirkliche Gefahr zu geraten oder Ärger zu bekommen, habe ich mir für die Herbstferien das Projekt "Angst und Bange! Juhu!" ausgedacht. Ich  hoffe, es melden sich viele Kinder an. Vielleicht kennen Sie ja jemanden:


Theaterprojekt für alle zwischen 10 und 14 Jahren
In den Herbstferien: 14.10.-18.10.2019


Alle lieben die mutige Ronja Räubertochter, die auszieht, um zu lernen, wovor sie sich hüten soll, die frei im Wald lebt, ihre eigenen Entscheidungen trifft, auch wenn das manchmal gefährlich wird.


Und in der Wirklichkeit? Müsste Ronja einen Helm tragen? Würde ihr Vater ihr ein Smartphone mitgeben, damit er sie immer und überall finden kann?
Dabei macht es doch auch Spaß, sich zu fürchten, oder? Und es macht stark und frei, wenn man seine Ängste überwunden hat. Manchmal braucht man dabei Hilfe von Freunden, manchmal sogar von den Eltern. Aber immer wird man ein Stück größer.
In den Herbstferien machen wir uns auf, das Fürchten zu lernen.
Wir erfinden gemeinsam spannende Geschichten und spielen sie auf der Bühne.
Wir werden dabei ganz frei sein: Alles, was Angst macht, dürfen wir ausprobieren. Abenteuer und Alltag, Verbotenes und Verborgenes. Wir werden mutig und stark spielen und uns bestimmt auch manchmal furchtbar fürchten.
Und davon etwas am Ende auf der Bühne zu zeigen, braucht Mut und macht jede Menge Spaß. 
Anmeldung unter  https://www.kulturrucksack.nrw.de/veranstaltung/da-wird-einem-ja-angst-und-bange-theaterworkshop-mit-ute-kranz




Montag, 25. März 2019

UND? WIE WIRST DU ES TUN?

Fotomontage: Klaudia Anosike für "undendlich Reisen" 2010
Es ist mal wieder soweit - es Zeit für Projektanträge. Es ist schön, dass der Staat sich überlegt hat, dass auch freiberuflich arbeitende Menschen und kleine Vereine oder Institutionen gute Ideen für Kultur und Bildung haben. Es ist schön, dass über Projektgelder ganz neue Ideen und Gedanken eine Chance haben, lebendige Kulturarbeit zu werden. Man kann sicherlich darüber streiten, warum bewährte Arbeit, Erfahrungen und so weiter nicht so gefördert werden wie Innovationen, aber immerhin haben wir eine Arbeitsgrundlage.
Was mir allerdings immer wieder begegnet: eine Idee und viel Berufserfahrung reichen oft nicht. "Und wie genau soll das Konzept umgesetzt werden?" "Und wie soll erreicht werden,  dass die Kinder und Jugendlichen am Ende genau das denken, was der Geldgeber oder der Kooperationspartner sich aufgrund des Konzepts erhofft?"
Dabei wird außer Acht gelassen, dass die kulturelle Arbeit nicht nur Kreativität voraussetzt, sondern auch fördern soll. Und wie soll das geschehen, wenn ich den Weg und das Ziel vorgebe? Das wäre, wie den Sternenhimmel erforschen zu wollen, aber schon vorher festlegt zu haben, wie die Galaxien auszusehen haben.
Natürlich brauche ich Methoden für meine "Forschung". Das liegt ja auf der Hand. Ein Teleskop ist ja auch hilfreich bei der Erforschung des Alls. Doch ab einem bestimmten Zeitpunkt muss ich mich frei machen von meinen Vorstellungen, um den Blick für das Andere zu haben. Und wenn ich das entdeckt habe, werde ich tatsächlich ganz neue Wege finden müssen, um daraus eine Geschichte zu schreiben oder auch nur einen Schritt weiter gehen zu können. In Jules Vernes "Reise zum Mond" laufen alle Astronauten mit Frack und Zylinder herum. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Mode der damaligen Zeit für den Mond gänzlich unpassend sein könnte.
Also, was soll ich meinen Auftraggebern sagen, wenn ich mit meinen kleinen "Forschern" die Welt neu entdecken will, wie ich es mache?! Will ich meine Arbeit ernst nehmen, muss ich antworten: "ich weiß es noch nicht. Aber ich halte stets die Augen auf, um keinen einzigen Weg zu übersehen."


Mittwoch, 6. März 2019

WEISST DU NOCH?!


Foto: Theater Toll-Wut e.V.
Merkwürdig, wie manchmal Themen sich durch eine Zeit ziehen. Kennen Sie das auch? Auf einmal poppen in ganz unterschiedlichen Gruppen ähnliche Themen auf. Im Moment scheint sich alles um das Erinnern zu drehen. Sogar während ich das jetzt hier schreibe, beschert mir der Zufallsgenerator eines Musikstreamingdienstes "ne me quites pas" - "Verlass mich nicht und was war vergiss. Wenn Du kannst, vergiss" vom großen Jaques Brel, gesungen von der wunderbar heutigen Sophie Hunger.


Vergessen! Sich erinnern!


Meine Produktionsleitung des jungen börsenensembles aus Wuppertal hat mir kürzlich das Archiv übertragen und da fängt man an zu stöbern. Eine Kollegin kramt die alten Musical-CDs der Musik- und Kunstschule, Velbert heraus und fährt damit laut klingend, beseelt durch unsere Stadt. Für eine Videoprojektion im neuen Theaterstück "Krieger und Kaiser" muss ich alte Kontakte durchforsten, frühere Kolleg*innen, ehemalige Schüler*innen, die inzwischen Kolleg*innen sind.
Foto: Drama Hilinci (Probe)
Vergessen! Sich erinnern!
Und gestern... Da saßen wir zusammen, das Ensemble Drama Hilinci aus Heiligenhaus und ich, und dachten über die Zukunft nach. Was wollen wir spielen? Was sollen wir auf die Bühne bringen?! An was sollen sich die Leute später noch erinnern?! Ja, und da kommt das Thema auf: "Erinnerungen". An was erinnert man sich?! Warum wählt das Gedächtnis ausgerechnet diese Situation aus, die im Gedächtnis bleibt? Warum werden manche Situationen gelöscht, so dass zwei Menschen die selbe Situation ganz unterschiedlich im Kopf behalten können?
Vergessen! Sich erinnern!
Spannender Stoff für das Theater, das doch eine ganz und gar flüchtige Kunst ist. Nur der Tanz ist noch schneller im Dunst des Vergessens verschwunden. 
Und wenn ich an meine früheren Produktionen denke... Was bleibt da? 
Als Theaterpädagogin erschafft man ja nicht nur Erlebnisse, die im Gedächtnis der Zuschauer*innen bleiben. Die Akteure auf der Bühne erfahren ein Theaterprojekt nochmal ganz anders. Für manche bleibt ein Stück als Abenteuer hängen, für manche als entscheidender Entwicklungsschritt, so mancher wird aber auch das Ganze als Event unter Vielen abhaken: "Wann war noch mal das mit dem Musical? - ja, das war cool. Wie hieß das noch?" 
Eine Zuschauerin hat mal an den Regisseur und Intendanten Roberto Ciulli (Theater an der Ruhr, Mülheim) geschrieben, sie hätte nach dem Besuch eines seiner Theaterstücke ihr Leben geändert. Sie wird dieses Stück sicher nie vergessen. 
Aber sicher ist so ein Erlebnis die Ausnahme, oder?! Gerne würde ich wissen, was meine früheren Schüler*innen noch von den Stücken wissen. Zu gerne würde ich erfahren, ob sich irgendjemand der Zuschauer*innen noch an eines meiner Stücke erinnert. Und wenn ja, an was? Was wird vergessen? An was wird sich erinnert? 
Und ist das alles wirklich wichtig? Ich meine, Theater lebt für den Moment. Theaterpädagogik wirkt, aber wie genau, werden wir bestimmt nicht erfahren. Denn ein Projekt ist immer eingebettet in den Fluss der Zeit, der den Alltag, die Abenteuer, die Träume und Wünsche aller mit sich führt. Und so ist jedes Stück ein Tropfen im Ozean der Hoffnung... so dass manches vergessen wird... so dass manches in Erinnerung bleibt. 

Donnerstag, 21. Februar 2019

WAS KANN THEATER EIGENTLICH FÜR ERWACHSENE TUN?


Foto: Anna Schwartz
"Theaterpädagogin? Ach, das ist ja so wichtig für Kinder und Jugendliche. Die müssen sich ja ausprobieren und entwickeln können. Ach? Du arbeitest auch mit Erwachsenen - sicher mit Senioren, oder? Ja, das ist ja so wichtig, dass die geistig noch aktiv bleiben. Ach? Wie Du arbeitest mit "ganz normalen" Erwachsenen? Äh... ja, äh... irgendein Hobby braucht man ja."
Solche Dialoge kennen sicher viele Kolleg*innen.
Ich frage mich immer wieder, warum Erwachsene eigentlich nicht vom Theater spielen, vom Theater machen, profitieren sollten.
Dabei erlebe ich immer wieder, wie erfüllend und bereichernd das Theater sein kann, ganz gleich, mit wem ich gerade arbeite. 
Mit meinem Erwachsenenkurs "Drama Hilinici" im Club in Heilgenhaus arbeite ich gerade am Thema "Physical Theatre". Wir haben eine aufreibende und tolle Premiere mit einem anspruchsvollen Sprechtheaterstück hinter uns gebracht, neue Ensemblemitglieder gewonnen und wollen nun neue Wege ausprobieren. Am Dienstag hatten wir eine ganz berührende Probe. Grundlage waren Gedichte von Ingeborg Bachmann und Rainer Maria Rilke. Die Darsteller*innen suchten Wege, diese Texte zu inszenieren, die Stimmungen zu übertragen, Bilder zu finden für die Worte der beiden Dichter*innen und ihren eigenen Empfindungen dazu.
Für alle war das Neuland. Aber mit welcher Feinfühligkeit und Intensität sich die Erwachsenen dieser neuen Erfahrung öffneten, war einfach wunderbar. 
Der große Yoshi Oida sagte  "Im großen und ganzen gibt es drei Arten von Wissen. (...) Die dritte Art Wissen wird durch intuitives Begreifen erlangt." (Oida "Die Tricks eines Schauspielers" Alexander Verlag, Berlin 2009, S. 42)
Wann haben wir in unserem Alltag schon einmal die Gelegenheit, diese Art von Wissen zu trainieren oder bewusst zu erleben? 
Das Theater öffnet jedem Menschen neue Welten. Auch die eigene, innere Vorstellungswelt wird plötzlich erkennbar, begreifbar und - so man ein Bild auf der Bühne findet- für andere darstellbar. Das ist eine Besonderheit des Theater Machens, das jenseits von Pointen setzen und Drama funktioniert. Und ich freue mich immer über die strahlenden Menschen, die als Darsteller*innen in die Probe gehen und als Entdecker*innen in ihren Alltag zurück kehren

Donnerstag, 7. Februar 2019

VOM RAUM LERNEN?

Foto: Kevin Rumpel
Als Theaterpädagogin mache ich nicht nur Theater, ich vermittle auch Theater und lehre Fähigkeiten, selbst Theater zu machen.
Ich nenne meinen Unterricht bewusst nicht Schauspielunterricht. Theater lernen ist viel mehr als eine Rolle zu spielen und auf der Bühne zu verkörpern.
Theater zu lehren, heißt sehen zu lehren und hören- auf sich, auf andere, auf die Gesellschaft, auf Literatur und Musik. Sehen lernen bedeutet, den eigenen Lebensraum wahrzunehmen. Aber auch die Verdichtung einer Situation, die in einem Raum deutlicher wird, um ein Thema auf die Bühne zu bringen, gehört zum Sehen lernen. 
Uns Theaterpädagog*innen wird oft geraten, mit ein ansprechenden Material zu arbeiten, das zum Spielen anregt. Das kann man sicherlich tun. Für Amateurschauspieler*innen ist das eine schöne Sache. Aber zu verstehen, was ein Bühnenraum bedeutet, geht weiter über das Spielerische hinaus. Leider sind in Zeiten knapper Kassen solche Gedanken nicht gern gesehen. Denn wenn ich mit meinen Darsteller*innen über den Bühnenraum rede, rege ich erst mal zur Offenheit an. Alle Ideen, Bilder, Gedanken müssen erst mal erlaubt sein. So fangen meine Schüler*innen im Laufe der Zeit an, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Sie gehen mit offenen Augen durch ihre Stadt, schauen sich Theaterstücke, Kunstwerke, Filme an. Alles dient auf einmal zu Inspiration. Und so entsteht ein Verständnis dafür, was ein Raum mit uns macht. Was macht zum Beispiel die erzwungene Nähe in einem winzigen Klassenraum mit den viel zu vielen Schüler*innen? Was macht ein kahler Raum mit einem, der sich nach Schönheit sehnt? Dann fangen wir an, am Bühnenbild zu arbeiten. Und ja, dann kommt das Budget ins Spiel. Aber selbst das kann man dann noch in den kreativen Prozess einbauen. 
Wir haben letztes Jahr an einem Stück über das Glück gearbeitet. Die beteiligten Jugendlichen kamen relativ schnell darauf, auf einem Berg aus Dingen zu spielen - als Sinnbild für die Glückssuche in einer kapitalistischen Welt des Anhäufens und Wegwerfens. So war es nur logisch, das benachbarte Gebrauchtwarenhaus zu fragen, ob wir nicht gleich dort spielen können und den Berg aus Dingen anhäufen können. Es hatte geklappt und wurde begeistert aufgenommen. 
Oft werde ich von Laien gefragt, warum man nicht einfach alles an eine Leinwand projiziert, wo wir doch heutzutage alle relativ leicht über solch technischen Hilfsmittel verfügen können. Aber die sinnliche, spielerische Erfahrung des Raumes ist für Akteure wie Zuschauer*innen von großer Bedeutung und Kraft. Wir sind eben nicht beim Film. Uns gibt es wirklich, live, zum Anfassen nahe, genauso wie den Raum. 
Und auch bei den Stücken, bei denen ich selbst, meist aus Zeitmangel, das Bühnenbild setze, lernen meine Akteure ein neues Sehen und Spüren. Ein gestalteter Bühnenraum bricht mit Sehgewohnheiten und löst etwas aus. Im besten Falle auch neue Spielimpulse. Daher ist es so wichtig, bei steigendem, finanziellen Druck, die Magie des Raumes niemals aus den Augen zu verlieren.